Der Stein, der nicht geworfen wurde

... der werfe den ersten Stein
Der Stein, der nicht geworfen wurde....

Johannes 8,2-11

Es muss seine Richtigkeit haben, denn die Hand des Mannes, die mich gerade aufgehoben hat, ist fest und entschlossen. Gleich wird er mich durch die Luft schleudern. Gezielt. Und so entschlossen, wie dieser Mensch sich anfühlt, werde ich mein Ziel treffen.

Es muss seine Richtigkeit haben, schließlich sind wir im Tempel des Herrn. Hier gelten Recht und Gesetz. Immer schon. Ich weiß das. Denn dieser Tempel ist aus Steinen wie mir gebaut.

Es muss seine Richtigkeit haben, denn die junge Frau da vorne streitet nichts ab. Jesus streitet auch nichts ab. Er stellt das Gesetz nicht in Frage. Er stellt dem, der seine Faust um mich ballt, nur eine einzige Frage:

Wer bist du, wenn du diesen Stein hier wirfst?

Ein Gerechter vor Gott? Ehrlich?
Glaubst du wirklich, dass der Stein, den du wirfst, dich gerechter macht, als sie es ist?
Mit welchem Recht kannst du Gnade erwarten, wenn du selbst ungnädig bist? Keine Angst, Gott wird dir gnädig sein. Und dich freundlich an- blicken. Durch mich. Aber bist du nicht Lehrer? Solltest du den Menschen nicht zeigen, dass Barmherzigkeit Leben rettet? Ihres? Und auch deins?

Ich falle wieder zur Erde. Nicht weit. An dieselbe Stelle, von der ich genommen wurde.

Es muss seine Richtigkeit haben, denn die Hand des Mannes, aus der ich falle, ist warm geworden. Wie sein Herz...

Der Stein, der nicht geworfen wurde, liegt sichtbar uns zu Füßen
und erzählt vom Leben...überall...

Martina Wehrmann