Geschichte der evangelischen Kirche in Berlebeck

 

von Gerhard Brackhage, Pfarrer in Berlebeck vom 1.10.1959 bis 31.10.1993, zum 50jährigen Kirchenjubiläum 2004

 

Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt. Ps 26,8

Ja, ich denke, dass viel mehr Berlebecker Gemeindeglieder „ihre Kirche“, das kleine Gebäude am Stemberg, lieben, als sich dies am sonntäglichen Gottesdienstbesuch ablesen ließe. Und wenn wir in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag feiern, dann gilt das wohl besonders. Es macht uns dabei auch gar nichts aus, dass andere ein wenig lächeln ob dieser 50 Jährchen, wo ihre alten ehrwürdigen Kirchenfestungen auf Hunderte von Jahren stolz zurückblicken. Die Liebe zum Gotteshaus hängt nicht vom Alter ab. Freilich, es ist festzuhalten, und wir wollen es nicht vergessen, dass Berlebecker Christen Jahrhunderte lang nach Heiligenkirchen zum Gottesdienst gegangen sind. Ich habe es noch erlebt, dass ältere Berlebecker wie selbstverständlich von „unserer Kirche“ in Heiligenkirchen sprachen.

Wie hat es angefangen bei uns in Berlebeck mit der Kirche am Stemberg? Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur interessant sondern wichtig ist, die bauliche Entwicklung zu kennen.

  1. Der Anfang

Das Jahr 1945 hatte unserem Volk eine in seiner Geschichte beispiellose Katastrophe gebracht. Auch unser Berlebeck war betroffen. Durch Panzerbeschuss verloren viele Familien am Hahnberg ihre Häuser, aber viel schlimmer war das Leid, das über die Menschen kam durch den Tod lieber Angehöriger auf den Schlachtfeldern oder im Luftkrieg. Kaum eine Familie blieb verschont. Und das Dorf veränderte sich. Es kamen Menschen zu uns, die eine Bleibe suchten, Evakuierte aus dem Ruhrgebiet, die durch Bomben alles verloren hatten, Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten, denen ihre Heimat genommen wurde. Es wurde eng in Berlebeck und seinen Häusern. Man musste zusammenrücken. Man musste Verständnis füreinander haben. Man musste sich im Leid gegenseitig helfen und tragen. Waren da nicht Christen gefragt? Es kam noch etwas Ernstes zu dem hinzu, hatte ja ihre Ursache in der Tatsache, dass viele Menschen, selbstverständlich auch Berlebecker und Heiligenkirchener unkritisch und leichtgläubig dem Ver“führer“ auf den Leim gegangen waren und jedem kritisch Denkenden das Leben dadurch schwer machten. Darunter war auch der damalige Gemeindepfarrer Otto Voget. Er war ihm in seinem Glauben an den einen Herrn und Heiland unmöglich „Heil Hitler“ zu sagen, und er tat es auch nicht. Er nahm das Bibelwort ernst:

In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel dem Menschen gegeben, durch den wir selig werden. (Apg.4,12)

In diesem Geiste hat er gepredigt und unterrichtet. Und wurde prompt denunziert und wortwörtlich ange“schwärzt“. Er war vom 6.4.1944 bis zum 21.4.1945 in verschiedenen Gestapogefängnissen und kam erst im September 1945 zurück. Nur dem schnellen Vorrücken der russischen Truppen verdankte er sein Leben. In seinem ersten Gottesdienst nach seiner Rückkehr predigte er über das Psalmwort:

Ich will den Herrn loben allezeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Preiset mit mir den Herrn! (Ps.34,2)

Preiset mit mir den Herrn! Das meinte er sehr ernst. Nach den Schrecken des Krieges und den Verirrungen musste es jetzt einen Neuanfang geben, wie überall in Deutschland so auch im Berlebecker Tal. Die Menschen brauchten Gottes Wort wie das tägliche Brot, und zwar alle, also auch die vielen Zugezogenen.

So war der Wunsch verständlich, in Berlebeck Gottesdienste einzurichten und den Menschen vor Ort anzubieten. Autos – mehrere in einer Familie wie heute – gab es nicht, auch noch keinen Bus. Als Verkehrsmittel „zuckelte“ nur die Straßenbahn Richtung Detmold. Mit ihr wurde der Gottesdienstbesuch recht umständlich. So blieb der Fußweg zur Kirche- wie seit Jahrhunderten, oder der Besuch unterblieb ganz, zumal für Kranke, Schwache oder Betagte. Pastor Voget und der Kirchenvorstand, besonders seine Berlebecker Mitglieder, sahen es als dringend an, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden.

Als Möglichkeit für eine gottesdienstliche Versammlung bot sich die Schule an, die alte Berlebecker Schule befand sich an der oberen Paderborner Straße gegenüber dem Eingang zum Haus des Gastes. Die damalige Schulleiterin, Frau Hildegard Wehrmann, war nicht nur bereit dazu, die Schule zur Verfügung zu stellen, sie war auch selbst als engagierte Christin eine der eifrigsten Betreiber dieser Idee, in Berlebeck eigene Gottesdienste durchzuführen. Für den Pfarrer wurde es eine Doppelbelastung, sonntags zwei Gottesdienste zu halten. Zunächst fanden sie darum auch eine gewisse Zeit nur 14tägig statt. Früh um 8.30 Uhr versammelten sich jetzt Berlebecker in ihrem Dorf zu ihrem Gottesdienst. Freilich, vorweg musste „gearbeitet“ werden. Bänke wurden weggeräumt und Stühle aufgestellt. Das alles geschah mit Eifer und Freude, wie mir die Beteiligten immer wieder erzählten, Einheimische und Zugezogene in gemeinsamem Einsatz.

Einer von ihnen war Fritz Becker, ein gebürtiger Lipper aus Währentrup bei Helpup, der im Ruhrgebiet, genauer in Essen, ein florierendes Baugeschäft aufgebaut hatte. Er suchte für seine Mitarbeiter – gewiss unter dem Eindruck des Bombenkrieges – eine Erholungsmöglichkeit. Er erwarb 1944 das zum Verkauf stehende Gehöft Gödeke in der Berlebecker Ortsmitte. Für sich selbst wählte er Berlebeck als Ruhesitz. Aber er war kein Mensch für einen gemütlichen Ruhestand. Alsbald engagierte er sich als überzeugter evangelischer Christ für das kirchliche Leben in Berlebeck. Pastor Voget berief ihn in den für Berlebeck zuständigen Heiligenkirchener Kirchenvorstand. Dort galt sofort sein Einsatz für eine Gottesdienststätte in Berlebeck. Die evangelische Kirchengemeinde wird es in Dankbarkeit immer bewahren müssen, dass Fritz Becker ein kleines passendes Grundstück aus seinem Besitz am unteren Stemberg der Kirchengemeinde für den Bau einer eigenen Kirche in Berlebeck stiftete.

Inzwischen hatte Pastor Wilhelm Jürges die Pfarrstelle in Heiligenkirchen übernommen (P. Voget war nach Barntrup gewechselt), er wagte sofort das finanzielle Risiko mit dem Kirchenvorstand und besonders mit dem Mitglied Fritz Becker den Bau eines Kirchengebäudes in Verbindung mit einem Kindergarten zu planen und zu bauen. Leitender Architekt war Herr Rolf Ganzert aus Detmold. Das Konzept war: Alles unter einem Dach, der Gottesdienstraum, der Unterrichtsraum, die Räume für die Gemeindekreise, der Kindergarten und die Küsterwohnung. Es gelang, dieses Konzept durchzuhalten, wenn auch alle Gebäudeteile aus Sparsamkeits- und Raumgründen sehr, sehr klein gerieten. Doch die Berlebecker, wie ich mir immer habe erzählen lassen, waren zufrieden, nein, mehr noch, sie waren voller Freude und Dankbarkeit, dass es nun in ihrem Berlebeck eine eigene Kirche gab zum Lobe und Preis des Herrn und Schöpfers. Am 11. Juli 1954 war es soweit, das Gebäude konnte in einem Festgottesdienst in Gebrauch genommen werden. Der damalige Landessuperintendent D. Wilhelm Neuser übergab das Gotteshaus seiner Bestimmung.

  1. Die Erweiterung

Erweiterung? Ja, ihre Notwendigkeir war eigentlich schon von Anfang an sichtbar. Dennoch erfüllte das kleine Gemeindehaus ca. 20 Jahre lang seinen Zweck. Die sonntäglichen Gottesdienste fanden zunächst weiter früh um 8.30 Uhr statt. Aber die Konfirmationen, sowie die meisten Taufen und Trauungen waren nach wie vor der Kirche in Heiligenkirchen vorbehalten. Nur allmählich setzte der Wandel ein, wurde der neue Kirchsaal nicht mehr nur als Nebenpredigtstätte von Heiligenkirchen, sondern voll als „Kirche“, also auch als sakraler Raum für alle Amtshandlungen angenommen. Erst als die zweite Pfarrstelle in Heiligenkirchen mit Sitz in Berlebeck gegründet wurde, änderte sich der Status Berlebecks ( mit Fromhausen) gegenüber Heiligenkirchen (mit Hornoldendorf) grundlegend. Das bedeutete den Bau eines Pfarrhauses. Wiederum war der Kirchenälteste Fritz Becker bereit, das dafür erforderliche Grundstück zur Verfügung zu stellen, diesmal für einen angemessenen Preis. Als ich am 1. Oktober 1959 meine Arbeit in Berlebeck begann und mit meiner Frau im Dezember in das fertiggestellte Pfarrhaus einzog, war in Richtung kirchlicher Selbstständigkeit Berlebecks ein wichtiger Schritt getan. Auch im kommunalen Bereich gab es vergleichsweise eine ähnliche bauliche Entwicklung. Es waren die neue Schule mit der Turn- und Festhalle und das Dorfgemeindehaus entstanden, und es kam die Friedhofshalle hinzu. Letztere war für die kirchliche Arbeit besonders wichtig. Es ist bis heute jedermann deutlich, dass mit der Friedhofshalle der Gemeinde Berlebeck ein künstlerisch besonders wertvolles Geschenk gemacht wurde. Von der Bergseite ein untergehendes Schiff, dessen Kiel aus dem Wasser ragt als Zeichen des Todes und von der Talseite die weiß leuchtende Spitze, die in die Ewigkeit des Himmels weist als Zeichen der Auferstehung. Der Architekt Wilhelm Kramme aus Detmold hatte auch das Pfarrhaus entworfen.

Doch zurück zum Kirchgebäude am Stemberg. Das kirchliche Leben darin blühte auf und wuchs und zeigte bald dem Haus seine engen Grenzen. Am bedrängensten wurde es im Kindergartenraum. Mit ca. 30 Kindern in einem Raum sinnvolle pädagogische Arbeit zu leisten war für die eine Erzieherin mit gelegentlich einer Helferin unmöglich. Es waren nach dem Krieg die Jahre des sogenannten „Babybooms“. Die Warteliste für die Aufnahme der Kinder in den Kindergarten war endlos. Es ist heute kaum vorstellbar, dass über 50 Kinder auf Aufnahme warteten. Der Kindergartenleiterin musste zugemutet werden, zu den vormittags zu betreuenden Kindern nachmittags noch einmal ca. 20 bis 25 Kinder aufzunehmen, um die Wünsche der Eltern zu befriedigen. Ein unhaltbarer Zustand! Die Belastung der Erzieherin war nicht mehr zu verantworten. So musste sich der Kirchenvorstand der Verantwortung stellen und einen neuen, angemessenen großen Kindergarten bauen. Wieder war Fritz Becker bereit, aus dem Kuchen seines Grundbesitzes ein Stück für den neuen Kindergarten zur Verfügung zu stellen, und zwar gegenüber dem Pfarrhaus. Später hat dann auch noch die Familie Rittershaus ein Gartengrundstück der Kirchengemeinde zur Erweiterung des Kinderspielplatzes zu überlassen. Der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland brachte auch die Kindergemeinden zu der Zeit in eine bessere finanzielle Lage, so dass der Kindergartenneubau gewagt werden konnte, dennoch war das keineswegs ohne öffentliche Zuschüsse möglich. Und das bedeutete naturgemäß auch Auflagen: Dreigruppensystem mit je eigenen Wasch- und Toilettenbereichen und Abstellräumen, und- dringend empfohlen – Gymnastikraum und Besprechungsraum. Auch eine Wohnung für die Kindergartenleiterin wurde erforderlich, sie wohnte bis dahin beengt in den Kinderzimmern des Pfarrhauses. Wer sich etwas im Bauen auskennt, weiß was das alles bedeutete. Doch das Werk gelang. Im April 1971 zogen die Kinder festlich in das neue Gebäude ein und Eltern und Gemeinde feierten mit. Das Gründungskonzept „Alles unter einem Dach“ war damit zwar aufgegeben. Dennoch war der Kirchenvorstand dankbar, dass es gelungen war, den Kindergarten in unmittelbarer Nähe der Kirche zu erstellen, um den Kontakt zwischen der Kindergartenarbeit und Gemeindearbeit zu erhalten. An dieser Stelle gilt es nachzuholen, dass kurz vor dem Kindergartenbau in struktureller Hinsicht eine wichtige Entscheidung gefallen war. Auf Betreiben der Berlebecker Mitglieder hatte der Kirchenvorstand an die Lippische Landessynode den Antrag auf Gründung einer selbständigen Kirchengemeinde Berlebeck gestellt. Wir – natürlich habe ich mich als Berlebecks Pfarrer persönlich dafür besonders stark gemacht – waren der Meinung, dass in jedem Gemeindeteil getrennt eine viel effektivere Arbeit geleistet werden konnte. Die Synode gab dem Antrag statt und gründete mit Wirkung vom 1. Januar 1969 die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Berlebeck. Durch den Auszug des Kindergartens aus dem Gemeindehaus war nun die Möglichkeit gegeben, den alten Kindergartenraum umzufunktionieren in ein inzwischen erforderlich gewordenes Gemeindebüro, auch dies war bis dahin notdürftig im Pfarrhaus untergebracht. Außerdem entsprach die Küsterwohnung keineswegs mehr den modernen Erfordernissen, als Wohnung waren die kleinen, schrägen Räume schon lange nicht mehr anzubieten. Außerdem fehlten Versammlungsräume für die Jugendarbeit. Es gab also eine Reihe von Gründen, dem Kindergartenneubau einen Gemeindehaus-Erweiterungsbau folgen zu lassen.

Wer den alten Kirchsaal noch kennt, wird bestätigen, dass eine Vergrößerung mehr als wünschenswert war. Die Vorstellungen über die Gestalt des erweiterten Kirchgebäudes, und auch über den Umfang des Umbaus, waren natürlich sehr geteilt. Im Kirchenvorstand gab es die „Lipper“, also die ganz Sparsamen mit den engsten Vorstellungen auf der einen Seite und die ganz Großzügigen auf der anderen Seite, die von einer neuen Kirche auf der Gemeindewiese träumten. Obwohl ein solcher Plan Illusion war und blieb, hat der Vorstand es doch für wichtig angesehen, das im Nordosten angrenzende Grundstück für einen Parkplatz und als Kirchwiese von der Familie Becker – Herr Fritz Becker war inzwischen verstorben – zu erwerben. Im Vorstand haben wir lange gerungen über Größe und Art der Erweiterung. Wir hatten einen geduldigen Architekten, Herr Brocke aus Burgdorf. Er hatte schon den Kindergarten gebaut und half uns sehr bei der nicht leichten Gestaltung der Kircherweiterung. Wir einigten uns auf einen guten Kompromiss. Ein sehr schönes Foyer für Begegnungen und Gespräche vor und nach den Gottesdiensten und nach allen anderen Veranstaltungen mit einem einladenden Treppenaufgang zum Gottesdienstraum. Diesem galt unsere besondere Aufmerksamkeit bei der Planung. Er wurde um ein Drittel vergrößert. Der bisherige kleine Eingang an der Stembergseite musste aufgegeben werden, weil dort nun der neue Altarraum seinen Platz bekam. Ganz wichtig war uns, dass aus dem alten Kirchsaal drei Elemente in den neuen Saal aus Verpflichtung zu Kontinuität hinüber genommen wurden: Der Abendmahlstisch, die Kanzel (nur leicht verändert) und zwischen beiden das schlichte Holzkreuz. Gern hätten wir auch das Bibelwort aus Ps 33, 9 in der alten Fassung:

Denn so er spricht, so geschieht´s; so Er gebietet, so steht´s da,

im neuen Chorraum auf der gegenüberliegenden Seite wieder angebracht. Doch das neue für das Licht wichtige große Kirchenfenster verengte die zur Verfügung bleibende Wandfläche. Außerdem sollte für Diavorträge Projektionsmöglichkeit bleiben. Die Bänke aus dem alten Kirchsaal wurden durch Stühle ersetzt. Ein Gemeindmitglied, examinierte Paramentenstickerin, schuf für Kanzel und Abendmahlstisch ehrenamtlich, neue, rote Behänge in guter farblicher Abstimmung zu dem grünen Gestühl mit der Taube als Symbol des Heiligen Geistes. Die alten Behänge waren sehr verblasst. Ungelöst blieb zunächst für einige Jahre das Orgelproblem. Dazu später mehr. Nicht zu vergessen, die dringend notwendig gewordene neue Küche machte Hoffnung auf regen Gebrauch in allen Kreisen und Gruppen und besonders auch bei größeren Veranstaltung. Dann war es so weit. Am Sonntag, den 22.6.1975, konnte der Festgottesdienst zur Eröffnung des neuen Kirchgebäudes stattfinden. Landessuperintendent Dr. Viering hielt die Festpredigt. Das die erweiterte Kirche ein Haus mit ganz offenen Türen für alle Menschen im Berlebecker Tal sein möge, haben wir in einer Schriftrolle im Grundstein am Eingang niedergelegt mit dem Bibelwort, Joh 10, 9

Christus spricht: Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.

  1. Der Abschluss

Abschluss? Was fehlte denn noch? Nun, das, was eine Kirche erst zur Kirche macht, jedenfalls nach landläufiger Vorstellung äußerlich betrachtet: Der Kirchturm mit einem schönen Glockengeläut! „Da bauen die das kleine Gemeindehaus zur Kirche um und schaffen immer noch nicht das Wichtigste: Den Kirchturm!“ Ja, so war wohl die Meinung vieler Berlebecker. Es gab zwar eine kleine Glocke - der Dachreiter zeugt noch von ihr - aber ihr etwas schriller Klang wurde nicht besonders geliebt. Er war auch in vielen Ortsteilen nicht hörbar. Gemeindeglieder gaben mir kleine Spendenbeiträge für ein richtiges Geläut. Durfte ich sie annehmen? Nicht ohne KirchenvorstandsbeschIuss! Die Fraktion der Sparsamen war dagegen. Die anderen aber hatten eine knappe Mehrheit. So wurde ein Spendenkonto eingerichtet für einen Glockenturm. Doch allzu stark war dessen Wachstum zunächst nicht. Denn für die Gottesdienstbesucher war vorerst ein anderes Problem drängender: Eine gute Orgel. Der Wechsel von einem Harmonium im alten Gemeindehaus zu einer kleinen elektronischen Orgel als Notlösung war nicht befriedigend. Sie dient heute noch als Instrument bei Beerdigungen in der Friedhofshalle in Fromhausen. Wiederum gab es ein ernsthaftes Ringen im Vorstand. Können wir uns eine "richtige" teure Orgel leisten? Oder gibt es eine sparsamere Lösung? Es gab sie! Die katholische Kirchengemeinde, deren Gäste wir während des Umbaus dankenswerterweise sein durften, hatte sie uns gezeigt: Die Firma Hofbauer in Göttingen bot Orgelbausätze zum Selbstbau an. So entschieden wir uns wie die Brüder und Schwestern der katholischen Kirche in Berlebeck auch für eine Orgel im Baukastensystem, das die Kosten sehr stark reduzierte. Ein kleines Team von 3 - 4 Gemeindegliedern einschließlich Organist und Pfarrer machten sich mit großer Freude, mit Eifer und Fleiß, natürlich nach Feierabend, an die Arbeit. Nach ca. 180 Arbeitsstunden war das Werk getan. Die neue Orgel konnte fachlich abgenommen und abgestimmt und in einem Festgottesdienst feierlich in Gebrauch genommen werden, soli deo gloria, allein zu Gottes Ehre. War das nun der Abschluss? Nein, nachdem auch dieses wichtige Gottesdienstelement geschaffen war, mit ca. zwei Drittel Spendenanteil an den Kosten aus der Gemeinde, da meldete sich der Wunsch nach einem echten guten Glockengeläut wieder. Der Erwartungsdruck auf den Kirchenvorstand,nun auch in dieser Sache tätig zu werden, wurde immer spürbarer. Aber ein Glockengeläut gibt es nicht ohne Glockenträger,also Turm. Beides aus den zur Verfügung stehenden Etatmitteln zu bewältigen war völlig undenkbar. Auch mit Iandeskirchlichem Zuschuss war nicht zu rechnen. Also musste wieder auf großen Spendenbeistand aus der Gemeinde gehofft werden, und diese Hoffnung erfüllte sich in erstaunlicher Weise. Etwa 50 % der Gesamtkosten wurden durch Gaben aus der Gemeinde aufgebracht. Den anderen Teil aus dem Etat (einschließlich Kredit) zu finanzieren, glaubte der Vorstand verantworten zu können. So konnte die Planung in Angriff genommen werden. Planender und leitender Architekt war diesmal Volker Lenz aus Heiligenkirchen. Die Vorstellung von einem schlichten Glockenträger auf dem vorderen Teil der Kirchwiese wurde von der städtischen Bauaufsicht verworfen. Obwohl es durchaus kirchliche Bautraditionen für freistehende Glockenträger gibt. Einen Turmanbau an das Gemeindehaus war aus statischen Gründen nicht möglich. So kam es zu der jetzigen Lösung. Ein der Waldlandschaft um Berlebeck herum angepasster schlanker Turm (eine "steinerne Fichte") fand die Zustimmung des Vorstandes, ebenso die Inschriften auf dem Dreiergeläut.

1.Glocke: Seid fröhlich in Hoffnung, 2.Glocke: Geduldig in Trübsal, 3.GIocke: Beharrlich im Gebet. (Römerbrief, Kap. 12, Vers 12). Ein besonderes Erlebnis war für viele Gemeindeglieder die Fahrt ins Siegerland nach Sinn bei Herborn zum Glockenguß in der Firma Rinckert. Sie werden dieses Ereignis in ihrem Leben gewiß nicht vergessen. Ein weiteres Ereignis ist an dieser Stelle ebenfalls erwähnenswert, das ich aber nur mit meiner Frau zusammen erlebte. Bevor die Glocken zum ersten Mal in Berlebeck erklangen, eröffneten sie mit ihrem Klang den Dortmunder Kirchentag. Die Kirchentagsleitung hatte die Glockenfirma darum gebeten. Es war eine Freude für uns, dem zuzustimmen. Unvergessen ist für viele Berlebecker der Tag des Richtfestes, der 19. Juli 1991. Ein riesiger Kran hob den Glockenstuhl millimetergenau auf den inzwischen fertiggestellten Turmsockel. Und der gleiche Kran platzierte dann die spitze hölzerne Turmhaube wie einen Hut über den Glockenstuhl. Die Verschieferung erfolgte danach. Nach Abnahme durch den Glockensachverständigen der Landeskirche lud dann das neue Geläut die Gemeinde zum Festgottesdienst am Erntedanksonntag, 6.0ktober 1991, ein. Seitdem tun sie das immer wieder jeden Sonntag, jeden Feiertag, auch zu den Trauergottesdiensten auf dem Friedhof und zu allen weiteren Sondergottesdiensten. Sie rufen sozusagen im Auftrag Jesu:

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Matth.11, 28) Und die Glocken fordern uns auf, wie es auch Pastor Otto Voget in seiner ersten Predigt 1945 tat, als er aus dem Nazigefängnis zurück war:

Ich will den Herrn loben allezeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Preiset mit mir den Herrn. (Psalm 34, 2) Und wo ist die alte kleine Glocke geblieben? Ich erinnere gern daran: Auch sie ruft weiterhin Menschen unter Gottes Wort zum Gottesdienst und zwar in Ghana (Afrika) in unserer Partnerkirche. In dem Ort Klefe bei Ho hat sie zur Freude der dortigen Gemeinde ihren neuen Platz gefunden. War die Errichtung des Glockenturmes mit dem Dreiergeläut für die evangelische Kirchengemeinde Berlebeck nun der Abschluss der baulichen Entwicklung? Nach menschlichem Ermessen wohl. Wichtig bei allem Planen und Bauen war und ist das Leben in den Räumen, dass Menschen, jung und alt,darin hören und erfahren: Gott der Herr, der Vater unseres Herrn Jesus Christus ist für uns da und will seine Freudenbotschaft, seinen Trost und seinen Segen hinausgehen lassen in das Dorf, in die Familien, in die Herzen aller Menschen. Er möge allen, die in der Kirche ihren Dienst tun, seine Kraft und seine Vollmacht dazu verleihen.

 

 

Kriegsende in Berlebeck, Ostern 1945

Theaterstück der Konfirmandinnen für den Gottesdienst "Erinnern und Gedenken"

Für den Gottesdienst „Erinnern und Gedenken 2016“ hatte die damalige Konfirmandinnengruppe ein Theaterstück zum Kriegsende in Berlebeck geschrieben. Es wurde am 31. Januar 2016 als Schattenspiel im Gottesdienst aufgeführt. Das Theaterstück wird hier noch einmal vorgestellt:

2015 jährte sich das Ende des 2. Weltkrieges zum 70. Mal. Es gab viele Veranstaltungen dazu, auch in Detmold. Im Staatsarchiv gab es eine Ausstellung mit vielen Fotos und Dokumenten. Mit unserer Konfırmandinnengruppe waren wir an einem Nachmittag im Oktober im Staatsarchiv und haben uns über die Ereignisse in Detmold und in Berlebeck informiert. Das war für uns spannend und interessant. Krieg ist immer so weit weg, aber dass es den auch hier in dem Dorf in dem wir leben gab, das war bedrückend für uns. Wir haben im Staatsarchiv einen Bericht von Emil Kleditz kennengelernt, der die letzten Kriegstage in Berlebeck beschreibt. Emil Kleditz Schwester war mit Fritz Grimm verheiratet und sie lebten und arbeiteten in der Papiermühle. Emil Kleditz lebte mit seiner Frau in Hannover. Dort waren sie mehrfach ausgebombt worden und hatten nur eine kleine Notwohnung. Sie beschlossen Ostern 1945 bei Grimms in der Papiermühle in Berlebeck zu verbringen. Am 25. März 1945 fuhren sie mit dem Zug von Hannover nach Detmold. Emil Kleditz berichtet von der beschwerlichen Fahrt und den Verzögerungen bis sie schließlich in der Papermühle ankommen. Es gab Fliegerangriffe auf Detmold und es fielen auch Bomben in der Nähe. In Paderborn gab es Luftangriffe.

Wir haben versucht den Bericht von Emil Kleditz in Szene zu setzen und nehmen Sie jetzt mit in die Papiermühle und in das Haus Temme auf dem Stemberg.

In der Papiermühle am 25. März 1945 abends gegen 21.00 Uhr

 

Frau Grimm: "Endlich seid Ihr da. Ich habe euch eine Milchsuppe gekocht. Setzt euch doch erstmal und esst. "

Emıls Frau: ”Oh, das tut gut. Endlich etwas Warmes. Das war vıelleıcht eıne Fahrt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie es in Hannover aussieht. Es ist ein Wunder, dass wir die Luftangriffe überhaupt überlebt haben. "

Frau Grimm: „Ich habe euch das Zimmer im ersten Stock fertig gemacht.

Emil und seine Frau: "Danke, wir wollen nur noch schlafen ”

Die nächsten Tage verliefen einigermaßen ruhig.

Dann häuften sich die Anzeichen, dass die Amerikaner und Engländer den Rhein überquert haben.

In Papiermühle machen sich auch Herr und Frau Grimm ihre Gedanken:

Frau Grimm: "Die Amerikaner und die Engländer sollen den Rhein überschritten haben. Und dann die Luftangriffe auf Paderborn! Wenn die jetzt auch zu uns kommen! Was soll denn dann werden? "

Herr Grimm: ”Ja, das habe ich auch gehört. Aber wie sollen die denn hierher kommen? Über die Gauseköte schaffen die das nie. Viel zu steil, viel zu eng. Da kommen die mit ihren Panzern doch gar nicht durch."

Frau Grimm: "Aber sie könnten über Horn-Bad-Meinberg und die Dörenschlucht bei Pivitsheide kommen.“

 

Am Karfreitag erzählte man von schweren Kämpfen um Paderborn. Die Amerikaner seien zurückgeschlagen worden.

Am Karsamstag werden Wehrmachtssoldaten in der Papiermühle einquartiert.

 

Die Ehepaare Kleditz und Grimm sitzen am Tisch:

Frau Kleditz: "Jetzt kann man die Kanonendonner schon bis hierher hören. Wie lange das noch gut geht! ”

Frau Grimm geht zum Fenster: „Schaut mal auf die Straße, die Leute, die da von der Gauseköte herunter kommen. Zivilisten und Soldaten. So viele sind verletzt und sie humpeln. Die Amerikaner sind auf dem Vormarsch. In Augustdorf und Pivitsheide sind schon viele Häuser in Schutt und Asche gelegt worden."

Herr Grimm:  "Mit Mann und Ross und Wagen hat sie der Herr geschlagen."

Frau Grimm:  ”Wo sollen wir nur mit den ganzen Soldaten hin? Jetzt sind schon 30 im Haus. Panzerfäuste haben sie dabei. Aber kaum Gewehre und ständig benutzen sie unser Telefon. ”

Herr Grimm: "Unten an der Becke habe sie eine Sprengmine gelegt. Die wollen die Panzer damit aufhalten. ”

Frau Grimm: "Aber die Anwohner haben schon protestiert. Ihre Häuser sind in Gefahr. Den Panzern macht das doch gar nichts.

Jetzt fällt auch noch der Strom aus! ”

Frau Kleditz: "Kommt, jetzt ist es noch ruhig. Lasst uns schlafen gehen. ”

 

Am nächsten Morgen. Alle sitzen am Tisch.

Ein Soldat : "Sie müssen hier weg. An der Straße ist es zu gefährlich. Berlebeck wird Kampfgebiet."

Frau Grimm: "Dann geht ihr auf den Stemberg. Die Nachbarn haben auch schon alle ihre Häuser verlassen. Wir treffen uns bei Minna Temme. "

Alle bei Minna Temme am Tisch:

Emil Kleditz: "Danke Minna, dass wir auch noch unter deinem Dach sein dürfen. Du hast ja schon das ganze Haus voll."

Minna Temme: "Hauptsache alle sind in Sicherheit."

Frau Kleditz geht ans Fenster: " Hört ihr das Maschinengewehrfeuer. Das ist ganz nah. Das ist am Waldrand. Und dort drüben, oben auf der Hohen Warte. Schaut da brennt es. Ein Bauernhaus steht lichterloh in F lammen! "

Herr Grimm: "Auf dem Hahnberg hat sich die SS verschanzt. Die amerikanischen Panzer schießen Brandgranaten auf die Hauser dort oben. "

Emil Kleditz: "Jetzt kommen die mit ihren Panzern auch noch hier auf den Stemberg . Unsere Soldaten stehen am Königsberg. Jetzt zielen die zu uns herüber. Das Nachbarhaus ist getroffen. ”

 

Da stehen plötzlich zwei amerikanische Soldaten vor der Tür: "Are soldiers in your house? "

Emil Kleditz: "No, only children and women! ”

Am nächsten  Morgen wagen sich alle wieder zur Papiermühle zurück. Familie Grimm war dort geblieben. Alle waren wohlauf. Die Nachbarhäuser waren schwer beschädigt und zwei Nachbarn hatten Schussverletzungen.

 

Da klopft es an der Tür und zwanzig Amerikaner stehen davor:

Soldat 1: "Durchsucht das ganze Haus und nehmt alles, was ihr braucht! Have a look and take, what you need."

Emil Kleditz versucht auf Englisch zu sagen: „Aber mein Herr, lasst doch wenigstens meiner Schwester und meinem Schwager ein Bett."

Soldat: "So wie die SS in Frankreich und Belgien: Betten für uns und Stroh für euch! "

Soldat 2 kommt aufgeregt angelaufen: "Look, what Infound: Three pistols! "

Soldat 1: "Woher stammen die Pistolen? Wolltet ihr uns damit töten? Sind hier etwa SS-Ofiiziere? ”

Emil Kleditz versucht es auf Englisch: "No, not SS.  Offizier from the Wehrmacht. He lost his luggage. We didn 't know, what was in it. "

Soldat2: ”It's okay. He ist right, the luggage was closed.

Soldat 1: "SS or Wehrmacht? ”

Emil Kleditz: ”Nein, es war die Wehrmacht. Ich schwöre es."

Soldat 1: ”Okay, ich glaube euch erst einmal. "

Emil Kleditz zu seiner Schwester: "Das ging ja gerade nochmal gut."

 

lm Hof der Papiermühle standen zwei Panzer, die ganze Nacht wurde geschossen. Die Kämpfe dauerten bis zum späten Nachmittag. Vor allem auf dem Schwesternberg, am Wallberg und auf dem Weg nach Heiligenkirchen. Besonders hatte es die Häuser auf dem Hahnberg getroffen.

Die amerikanischen Soldaten hatten die Papiermühle in Besitz genommen. Sie ließen es sich gut gehen und waren jetzt die Herren im Haus. Es war Ostersonntag, der 4. April und Emil Kleditz hatte seinen 64. Geburtstag.

 

Frau Grimm: "Was für Zeiten.  Aber herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag. "

Soldat 1: „Happy birthday. Do you like chewinggum? "

Emil Kledıtz: "You are a good man, but not all your camerads. "

Soldat 1: "Overall are good men and bad men. "

Die Amerikaner waren tatsächlich über die Gauseköte gekommen und hatten zuvor Schlangen und

Oesterholz eingenommen. Drei Kampftage und 2 Kampfnächte waren in Berlebeck überstanden.